Es war einer dieser goldenen Frühlingstage, an denen man kurz davor ist, alle Prinzipien über Bord zu werfen. Die Sonne kitzelt durchs Fenster, Phoenix sitzt schon schnurrbereit auf dem Kratzbaum und Salem gähnt demonstrativ in Zeitlupe. Und ich? Ich starre auf den Rucksack und denke: Ach komm, heute mal ohne. Nur ganz kurz. Wir gehen ja eh nicht weit. Tja. Spoiler: genau das ist der Anfang vom Ende.

Der Rückzugsort als Ritual – nicht als Accessoire
Viele Katzenhalter:innen packen den Rucksack oder die Tasche erst dann aus, wenn’s an die Tür geht. Der Safe Place wird zum Signal: Aha, jetzt geht’s raus. Kein Wunder also, dass manche Katzen das Teil eher mit Abenteuer (oder Überforderung) als mit Geborgenheit verbinden. Und genau das ist der Denkfehler.
Ein echter Safe Place ist kein Outdoor-Gimmick. Kein Picknickkorb mit Schultergurt. Er ist Teil des Alltags, ein Ritual, ein vertrautes Element – und damit weit mehr als nur ein mobiles Versteck. Er sollte drinnen genauso präsent sein wie draußen. Wie ein Lieblingssessel. Nur eben mit Reißverschluss.
Wir haben inzwischen mehrfach mit Menschen gesprochen, deren Katzen nicht mehr freiwillig in den Rucksack oder die Tasche gestiegen sind – vor allem am Ende des Spaziergangs. Warum? Weil die Katze irgendwann gecheckt hat: Sobald ich da reingehe, ist der Spaß vorbei. Und zack – der einst so schöne Rückzugsort wird zur Endstation. Da will dann niemand mehr freiwillig rein.

Drinnen anfangen, draußen integrieren
Bei uns steht der Rucksack fast immer offen im Wohnzimmer. Mal liegt ein Flauschteppich drin, mal ein Baldriankissen, manchmal landet Salem einfach mit Anlauf in seinem “mobilen Bau” und pennt dort, während draußen die Amseln toben. Phoenix nutzt ihn bei Gewitter oder wenn Besuch kommt – obwohl der Rucksack nirgendwohin fährt. Und genau das ist der Punkt: Er ist da. Immer. Nicht nur, wenn die Leine klappert.
Wer den Safe Place ausschließlich für Spaziergänge hervorholt, verpasst die Chance, ihn wirklich in der Katze zu verankern. Denn nur durch tägliches „Einfach-dasein“, durch Reinschnüffeln ohne Zweck, durch Nickerchen und kleine Spielmomente im Alltag wird der Rückzugsort auch zu dem, was er sein soll: sicher, vertraut, verfügbar.

Spaziergänge mit Höhle to go
Draußen ist der Rucksack bei uns nie nur Transportmittel. Er steht im Park am Wegesrand, offen. Bei jedem Zwischenstopp. Immer wenn Phoenix stockt, weil ein Hund in 300 Metern Entfernung schnauft oder Salem mal wieder auf einem Zaun balanciert, parke ich den Rucksack. Als Einladung. Als Rückfallebene. Als Ruhepunkt.
Und das funktioniert – aber nur, weil er keine Überraschung mehr ist. Nicht: Oh je, das Ding kenn ich nur vom Tierarzt oder vom letzten Waldspaziergang. Sondern: Ah, da ist mein Bau. Endlich Pause. Schnurr.
Je öfter du den Safe Place als Teil der Pausenstruktur nutzt, desto klarer wird deiner Katze: Der ist für mich da. Immer. Nicht nur, wenn’s stressig wird, sondern auch einfach so. Für Nasenpausen, Grasbeben und Beobachtungsmodus.
Und wer jetzt sagt: „Aber ich hab ja einen Buggy, das ist ja nicht so flexibel wie ein Rucksack“ – stimmt. Aber auch ein Buggy kann ein Safe Place sein, wenn man ihn genauso behandelt. Stell ihn bei Spaziergängen bewusst in eine ruhige Ecke, öffne das Verdeck, leg ein paar Leckerlis rein, schaffe gute Momente. Auch im Garten. Auch beim Draußensein ohne große Runde. Nicht immer nur beim Heimgehen.

Was du nie tun solltest: der Tierarzt-Fehler
Ein Fehler, den wir alle irgendwann mal machen: „Ach Mist, der Transportkorb ist grad im Keller. Dann nehmen wir halt den Rucksack.“ Nope. Nicht. Niemals. Nicht mal zur Haustür.
Denn wenn du deinem Safe Place den Geruch und die Erinnerung an Tierarztangst verpasst – war’s das. Vertrauen futsch, Assoziation versaut. Und du darfst dir wochenlang anhören, dass du das gute Ding „verraten“ hast. Glaub uns. Wir sprechen aus Erfahrung.
Der Safe Place ist für Spaziergänge, für Sicherheit, für Ruhe. Und nicht für Impfungen, Zwang oder Stress. Du willst, dass deine Katze ihn liebt? Dann nutz ihn liebevoll – und konsequent.

Der Moment, der alles sagt
Ich hab’s ja schon angedeutet: An einem Tag war ich schlampig. Rucksack vergessen. Wetter top, Strecke kurz – was soll schon passieren?
Phoenix war euphorisch, wollte raus. Doch kaum draußen, kamen die Geräusche. Ein Roller, ein Kind mit Glöckchenschuhen, Wind im Bambus. Und plötzlich suchte er panisch einen Rückzugsort. Nur war da keiner. Ich konnte ihn nicht hochnehmen, weil er sich versteifte. Ich konnte ihn nicht schützen, weil er keine Höhle hatte. Am Ende bin ich mit flatterndem Shirt, zitterndem Kater und schuldbewusstem Blick zurückgerannt – ohne dass er je wirklich runterkam.
Und dann, ein paar Wochen später: Salem, unser stoischer Fels in der Flitzpiepen-Brandung, springt unterwegs – aus dem Nichts – in meinen offenen Rucksack, den ich auf dem Rücken trage. Keine Panik, kein Stress. Einfach nur: Ich bin müde, ich will heim, ich weiß, wo es sicher ist.
Und das, meine Freunde, ist der Moment, in dem du merkst: Du hast es richtig gemacht.
Fazit?
Ein Safe Place ist wie eine gute Freundschaft: Sie muss nicht spektakulär sein, aber verlässlich. Sie lebt nicht vom Wetter, sondern vom Vertrauen – und vom Alltag. Und wenn deine Katze sich draußen freiwillig einkuschelt, weil sie sich sicher fühlt? Dann war all die Schlepperei, all die Snacks und all das Training nicht umsonst.
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